DOI: 10.1002/stab.201610386
Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Beim Lichtbogenbolzenschweißen wird ein stiftförmiges Verbin-dungselement mit oder ohne Gewinde mittels eines Lichtbogens mit einem Bauteil verbunden. Verwendet werden in der Regel Verbindungsmittel wie Stifte, Buchsen und Bolzen mit Gewinde. Während des Schweißprozesses wird ein Lichtbogen an der Stirnfläche des zu verschweißenden Bolzens gezündet, wodurch sowohl die Stirnfläche des Bolzens als auch das Werkstück lokal angeschmolzen und unter einem definierten Anpressdruck zu-sammengefügt werden. Unterschieden wird zwischen zwei Ver-fahren der Schweißung, dem Lichtbogenbolzenschweißen mit Hub- oder mit Spitzenzündung.
Das Merkblatt DVS 0904 des Deutschen Verbands für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (DVS) gibt neben den Regelungen zum Lichtbogenschweißen von metallischen Werkstoffen der DIN EN ISO 14555 weiterführende Hinweise zum Lichtbogenbol-zenschweißen für die Praxis. Für das Bolzenschweißen werden unter anderem Anweisungen für die Schweißvorbereitung, die Ausführung und die Prüfung der Bolzenschweißung gegeben. Darüber hinaus liefert das Merkblatt aber auch Angaben zur
Montage und damit zur Verschraubung sowie zur Zugprüfung von aufgeschweißten Gewindebolzen. Diese Angaben betreffen das Montagedrehmoment und die resultierende Montagevorspann-kraft, die auf Annahmen zu Reibbeiwerten beruhen, welche bis-her nicht durch Versuche gestützt wurden. Im Zuge der Überar-beitung des Merkblatts DVS 0904 sollten diese Angaben überprüft und angepasst werden, weshalb experimentelle Untersuchungen an aufgeschweißten Gewindebolzen am Institut für Metall- und Leichtbau der Universität Duisburg-Essen durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen und deren Ergebnisse werden im vorlie-genden Beitrag als Hintergrundinformationen zu den in der über-arbeiteten DVS 0904 ausgewiesenen Anziehdrehmomenten dar-gestellt und erörtert.
Tightening of arc welded studs according to the technical
bulletin DVS 0904. Within the process of arc stud welding, a pen-
shaped threaded or non-threaded stud is connected to a steel component. During the process the two components bolt and steel component are locally melted by an arc and then plunched together. The process of arc stud welding can be divided into arc stud welding with a drawn arc or with condenser discharge. The technical bulletin DVS 0904 of the German Welding Society (DVS) gives next to the rules for arc stud welding in EN ISO 14555 fur-ther references for arc stud welding in practical use. Beside rules and references for welding preparation, execution and con-trolling of arc stud welding, DVS 0904 gives further information on tightening and tensile testing of the installed studs. The given tightening torque and bolt force values for different stud diame-ters and materials are based on assumptions for coefficients of
friction, which were not determined by tightening tests. In the frame of the revision of DVS 0904 these assumptions should be checked. For this reason tightening tests were performed at the Institute for Metal and Lightweight Structures of University of Duisburg-Essen. The experimental investigations and their results are presented as background information for the revision of DVS 0904 within this contribution.
1 Einleitung
Beim Lichtbogenbolzenschweißen wird ein stiftförmiges Verbindungselement mit oder ohne Gewinde mittels eines Lichtbogens mit einem Bauteil verbunden. Verwendet wer-den in der Regel Verbindungsmittel wie Stifte, Buchsen und Bolzen mit Gewinde. Während des Schweißprozesses wird ein Lichtbogen an der Stirnfläche des zu verschwei-ßenden Bolzens gezündet, wodurch sowohl die Stirnfläche des Bolzens als auch das Werkstück lokal angeschmolzen und unter einem definierten Anpressdruck zusammenge-fügt werden. Unterschieden wird im Allgemeinen zwischen zwei Verfahren der Schweißung, dem Lichtbogenbolzen-schweißen mit Hub- oder mit Spitzenzündung. Aufge-schweißte Gewindebolzen werden für Befestigungen unterschiedlichster Art an Bauteilen verwendet (s. auch
Bild 1).
Das Merkblatt DVS 0904 in seiner Ausgabe aus dem Jahr 2000 [1] des Deutschen Verbands für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (DVS) gibt neben den Regelun-gen der DIN EN ISO 14555 [2] weiterführende Hinweise zum Lichtbogenbolzenschweißen für die Praxis. Für das Bolzenschweißen werden unter anderem Anweisungen für die Schweißvorbereitung, die Ausführung und die Prüfung der Bolzenschweißung gegeben. Darüber hinaus liefert das Merkblatt aber auch Angaben zur Montage und damit zur Verschraubung sowie zur Zugprüfung von aufgeschweiß-ten Gewindebolzen. Diese Angaben betreffen das Monta-gedrehmoment und die resultierende Montagevorspann-kraft, die auf Annahmen zu Reibbeiwerten beruhen, wel-che bisher nicht durch Versuche gestützt wurden, sondern lediglich theoretisch auf Basis eines angenommenen Reib-beiwertes analytisch berechnet wurden. Neben dem Merk-blatt DVS 0904 bezieht sich auch das Merkblatt DVS 0967 [3], welches die Berechnung von Bolzenschweißverbindun-gen behandelt, auf diese Werte. Im Zuge der Überarbei-tung des Merkblatts DVS 0904 sollten diese Angaben über-prüft und angepasst werden, weshalb experimentelle
418© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 85 (2016), Heft 6
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Bild 1. Anwendungsbeispiele für aufgeschweißte Gewindebolzen; Sanierung des Daches der Veltins-Arena in Gelsenkirchen (links) und Befestigung von Schutzplanken auf der Fleher-Brücke in Düsseldorf, A 46 (rechts) (© KÖCO, R. Trillmich)
Fig. 1. Examples of use for arc weld studs; reconstruction of the roof of the Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Germany (left) and attachment of guard rails at the Fleher Bridge in Düsseldorf, Germany (right) (© KÖCO, R. Trillmich)
ntersuchungen an aufgeschweißten Gewindebolzen am U
Institut für Metall- und Leichtbau der Universität Duis-burg-Essen durchgeführt wurden.
2 Verschraubung nach Merkblatt DVS 0904
Die in der Praxis verwendeten Gewindebolzen nach DIN EN ISO 13918 [4] mit metrischen Gewinden nach DIN 13-1 [5] werden in der Regel gepaart mit Unterlegscheiben nach DIN EN ISO 7089 [6] und Sechskantmuttern nach DIN EN ISO 4032 [7] verschraubt. Das Merkblatt DVS 0904 gibt sowohl für die Verschraubung als auch für die Prüfung der aufgeschweißten Gewindebolzen Mon-tagevorspannkräfte und Anziehmomente tabellarisch an
(Tabelle 1). Hierzu wurde für die zuvor genannte Kombi-nation von Einzelkomponenten ein Reibbeiwert von µtot = 0,18 nach DIN EN ISO 16047 [9] pauschal für alle Bolzen-durchmesser und Materialen angenommen. Dieser globale Reibbeiwert stellt lediglich eine Annahme dar, welche bis-her nicht auf Basis von experimentellen Untersuchungen gestützt wurde. Des Weiteren zeigt sich, dass für die im Merkblatt DVS 0904 gegebenen Kombinationen aus auf-zubringendem Anziehdrehmoment und resultierender Vor-spannkraft der zurück gerechnete Reibbeiwert µtot,calc eben nicht immer exakt 0,18 beträgt (s. auch Tabelle 2), so dass auch die Informationen innerhalb der zu überarbeitenden Tabelle nicht in sich schlüssig sind. Tabelle 2 zeigt darüber hinaus die bisherige theoretische, geplante Ausnutzung der
Tabelle 1. Anziehdrehmomente und Montagevorspannkräfte nach Tabelle 5 des Merkblatts DVS 0904Table 1. Tightening torques and bolt forces according to Table 5 of the technical bulletin DVS 0904
4.8, µ = 0,18 Rp0,2 = 340 N/mm2Montage-vorspann-kraft (kN)
M3M4M5M6M8M10M12M16M20M24
1,11,83,04,38,013,019,035,055,080,0
Anziehdreh-moment (Nm)
0,81,83,66,115,030,053,0135,0260,0450,0
A2-50, µ = 0,18 Rp0,2 = 210 N/mm2Montage-vorspann-kraft (kN)
0,71,11,92,74,97,812,022,034,049,0
Anziehdreh-moment (Nm)
0,51,12,33,89,519,033,082,0160,0277,0
AlMg3 F23, µ = 0,18 Rp0,2 = 170 N/mm2Montage-vorspann-kraft (kN)
0,51,01,62,24,0
Anziehdreh-moment (Nm)
0,40,91,93,17,5
CuZn37, µ = 0,18 Rp0,2 = 250 N/mm2Montage-vorspann-kraft (kN)
0,81,42,33,26,0
Anziehdreh-moment (Nm)
0,61,32,74,511,0
Stahlbau 85 (2016), Heft 6419
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Tabelle 2. Darstellung berechneter Reibbeiwerte auf Basis von Merkblatt DVS 0904 sowie der planmäßigen Ausnutzung der Bolzen bezogen auf ihre 0,2 %-Dehngrenze
Table 2. Presentation of calculated coefficient of friction according to leaflet DVS 0904 and utilization of the threaded studs related to the 0,2 % proof stress
As(cm2)M3M4M5M6M8M10M12M16M20M24
5,038,7814,220,136,658,084,3157245352
4.8, µ = 0,18 Rp0,2 = 340 N/mm2F (kN)1,11,83,04,38,013,019,035,055,080,0
A2-50, µ = 0,18 Rp0,2 = 210 N/mm2
T µtot,calch(F)*(Nm) 0,51,12,33,89,519,033,082,0160,0277,0
0,180,190,190,180,190,190,180,190,190,19
66606464646468676666
AlMg3 F23, µ = 0,18 Rp0,2 = 170 N/mm2F (kN)0,51,01,62,24,0
T µtot,calch(F)*(Nm) (%)0,40,91,93,17,5
0,210,170,190,180,18
5867666464
CuZn37, µ = 0,18 Rp0,2 = 250 N/mm2F (kN)0,81,42,33,26,0
T µtot,calch(F)* (Nm)(%) 0,61,32,74,511,0
0,190,180,190,180,18
6464656466
T µtot,calch(F)* F
(Nm) (%)(kN)0,81,83,66,115,030,053,0135,0260,0450,0
0,190,190,190,180,180,180,180,190,190,19
64606263646666666667
0,71,11,92,74,97,812,022,034,049,0
–h(F) = F/(As · Rp0,2)
–F = Montagevorspannkraft–T = Anziehdrehmoment
Bolzen h(F)* bezogen auf die 0,2 %-Dehngrenze des BolzenmaterialsRp0,2. Diese liegt zwischen 0,60 und 0,68 · Rp0,2 · As (mit As Spannungsquerschnitt des Bolzens) und ist damit gerade einmal zwischen 2 % und 10 % kleiner als das „alte“ Regelvorspannkraftniveau Fv = Fp,C* nach DIN 18800-7 [10] bzw. DIN EN 1993-1-8/NA [11] für vor-gespannte Verbindungen. Darüber hinaus liegt das Vorspannkraft niveau im Mittel über alle Durchmesser und Materialien bei 83 % der zulässigen Montagevorspannkraft
%iger Aus-FMzul nach VDI 2230 [12] unter Annahme 90
nutzung der Mindeststreckgrenze Rp0,2. Dieses für Bolzen dieser geringen Festigkeitsklasse vergleichsweise hohe Vor-spannkraftniveau ist im Hinblick auf ein sicheres Anzie-hen der Verbindung als kritisch zu betrachten. Als proble-matisch ist besonders zu erwähnen, dass die Komponenten zum Anziehen der Gewindebolzen nicht zu einer Garnitur mit kalibrierter Schmierung und/oder Oberflächenbe-schichtung gehören, wodurch zum einen eine Aussage über die Reibbeiwerte ohne experimentelle Untersuchun-gen nicht hinreichend genau möglich ist und zum anderen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Reibverhältnisse innerhalb eines Prüfloses stärker streuen als bei Garnitu-ren mit einer definierten Schmierung bzw. Oberflächenbe-schichtung mit definierten Reibeigenschaften. Merkblatt DVS 0904 liefert keine Angaben zu diesen evtl. vorhande-nen Oberflächenbeschichtungen, wie beispielsweise einer Zinklamellen beschichtung, oder der Schmierung auf der Baustelle. Die Angabe eines einzelnen Reibbeiwertes und der daraus resultierenden Kombinationen aus Vorspann-kraft und Anziehdrehmoment ist daher als unzureichend zu erachten. Die Kombination aus größeren Streuungen von Reibbeiwerten und vergleichsweise hohen planmäßi-gen Beanspruchungen kann dazu führen, dass die Verbin-dung beim Anzug überbeansprucht wird. Schadensbilder dieser Art sind bereits in der Vergangenheit aufgetreten.
Um ein sicheres Anziehen der Gewindebolzen zu ge-währleisten, wird daher empfohlen, das planmäßige Vor-
spannkraftniveau im Rahmen der Überarbeitung des Merkblatts DVS 0904 zu senken. Diese Absenkung ist vor allem deshalb möglich und unkritisch, weil die Vorspan-nung in den Gewindebolzen „lediglich“ eingebracht wird, um ein Lösen der Muttern zu vermeiden. Die Bolzen wer-den also rein aus Gebrauchstauglichkeitsgründen und nicht zur Erhöhung der Tragfähigkeit vorgespannt, wo-durch sich die Verbindung nach [13] und [14] in Zielebene II einordnen lässt. Durch die Anpassung der Anziehmo-mente an dieses kleinere Vorspannkraftniveau soll somit sichergestellt werden, dass ein Lösen der Mutter einerseits, aber auch eine Überbeanspruchung der Verbindung ander-seits trotz der zu erwartenden großen Streuungen der Reibverhältnisse vermieden werden kann. Für die Siche-rung der Mutter genügt nach DIN EN 1993-1-8/NA [11] in der Regel eine Vorspannung von 50 % Fp,C*, was einer Vor-spannung in Höhe von 0,5 · 0,7 · Rp0,2 und damit ca. 35 % der 0,2 %-Dehngrenze entspricht. Diese Ausnutzung ent-spricht ca. des bei der Definition des „Handfest“-Anzieh-momentes MA,handfest zugrunde gelegten Niveaus der Vor-spannkraft, siehe [13], [14], [15]. Diese „Handfest“-Anzieh-momente gelten unabhängig von der Festigkeitsklasse und wurden so ausgelegt, dass ein Überziehen einer Garnitur der Festigkeitsklasse 4.6 ausgeschlossen ist. Dies wurde dadurch erzielt, dass die Be anspruchung einer Schraube der Festigkeitsklasse 4.6 im Spannungsquerschnitt auf ca. 25 % bis 30 % der 0,2 %-Dehngrenze begrenzt wurde. Auf dieser Basis wird auch im Fall der aufgeschweißten Gewin-debolzen diese geringere, aber für die Verbindung ausrei-chende Vorspannkraft als Zielniveau festgelegt.
3 Experimentelle Untersuchungen zur Ermittlung der tatsäch-lichen Reibbeiwerte an ausgewählten Gewindebolzen3.1 Versuchsprogramm
Im Zuge der Überarbeitung des Merkblatts DVS 0904 sol-len die empfohlenen Anziehdrehmomente überprüft wer-
420Stahlbau 85 (2016), Heft 6
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Tabelle 3. VersuchsprogrammTable 3. Test programme
Pos.
Pos.1234567891011
M6M8M4M20M12∅
Anzahl 55101010101010101010
ALMg3 F23S235 (4.8)A2-50S235 (4.8)
4.8GewindebolzenFK/Werkstoff
Ausführungsart
blankflZnblankflZnverkupfertwie hergestellt
geöltverkupfert
ZnZnA2A2ZntZn Ausführung
Mutter
Schmierung
–WD-40––WD-40––––
Bild 2. Anziehprüfstand für mechanische Verbindungsmittel des Instituts für Metall- und Leichtbau, Universität Duisburg-EssenFig. 2. Tightening torque testing machine of the Institute for Metal and Lightweight Structures, University of Duisburg-Essen
den, wobei die Angabe von Montagevorspannkräften über-dacht werden sollte. Die Angabe dieser Parameter basierte bisher auf der Annahme, dass für die angegebenen Werk-stoffe und Bolzendurchmesser durchgängig ein Reibungs-beiwert von µtot = 0,18 vorliegt. Ziel der aktuellen Unter-suchungen war daher neben der Ermittlung der tatsächlich vorliegenden Reibbeiwerte auch die Festlegung geeigneter Anziehparameter. Für die Untersuchungen wurden Gewin-debolzen des Typs PD nach DIN EN ISO 13918 [4] in un-terschiedlichen Durchmessern und mit verschiedenen Oberflächenzuständen berücksichtigt, um die in der Praxis verwendeten Parameter abzubilden. Für jede Position wur-den zwischen fünf und 10 Bolzen getestet, um eine statis-
tisch verwertbare Aussage treffen zu können. Der kom-plette Versuchsumfang mit allen Parametern ist in Tabelle 3 dargestellt.
3.2 Versuchsdurchführung3.2.1 Allgemeines
Die durchgeführten Drehmoment-Vorspannkraft-Versuche wurden für die Bolzen der Durchmesser M12 und M20 mit dem Anziehprüfstand für mechanische Verbindungsmittel des Instituts für Metall- und Leichtbau der Universität Duisburg-Essen durchgeführt (Bild2). Das Drehmoment und die Drehung werden an diesem Prüfstand automatisch
Stahlbau 85 (2016), Heft 6421
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Bild 3. Definition des Abschaltkriteriums für streckgrenzge-steuertes Anziehen
Fig. 3. Definition of the cut-off criterion for yield-controlled tighteningdurch einen elektrischen Getriebemotor erzeugt. Die An-ziehdrehzahl wird manuell über ein Verstellgetriebe vor Versuchsbeginn eingestellt. Die Anziehdrehzahl betrug für alle Prüfungen der Durchmesser M12 10,0 U/min, für alle Prüfungen mit Bolzen M20 5,0 U/min. Der Anziehprüf-stand ist mit Sensoren zur Messwerterfassung der Firma Schatz AG, Remscheid ausgerüstet. Die weiteren Versuche
mit Bolzen M4, M6 und M8 wurden von der REC Engi-neering GmbH, Breidenbach durchgeführt.
Für die Anzüge sowie die Auslegung in der späteren Praxis waren ein Überschreiten der Streckgrenze der Schraube und damit verbundene plastische Verformungen
zu vermeiden. Aus diesem Grund wurden die Versuche streckgrenzgesteuert durchgeführt. Als Abschaltpunkt des
streckgrenzgesteuerten Anzuges wird im Allgemeinen die Verminderung der Steigung m des Kurvenverlaufs Vor-spannkraft F über Anziehdrehwinkel q auf 50 % der maxi-mal zuvor ermittelten Steigung max mel definiert (Bild3). Die Berechnung des Differenzenquotienten zur Bestim-mung der Steigung wurde hierbei mit einem Winkelinkre-ment von Dq = 4 eingestellt, vgl. Bild 3.3.2.2 Versuchsaufbau und -komponentenFür die Drehmoment-Vorspannkraft-Versuche wurden die Gewindebolzen auf ein Trägermaterial aufgeschweißt und dann in den Prüfstand eingebaut (Bild 4). Dabei wurde das Trägermaterial im Prüfstand gegen Verdrehen gesichert und der Bolzen mutterseitig mit einer Sechskantmutter nach DIN EN ISO 4032 [7] und einer Unterlegscheibe nach DIN EN ISO 7089 [6] angezogen, s. auch Bild 4. Die Gewindebolzen des Typs PD wurden entspre-chend DIN EN ISO 13918 [4] gefertigt. Die Sechskantmut-tern nach DIN EN ISO 4032 [7] waren genau wie die Un-terlegscheiben verzinkt. Für die Bolzen M8 aus A2-50 wur-den entsprechend Sechskantmuttern aus nichtrostendem Stahl A2 verwendet. Als Schmiermittel für die entspre-422Stahlbau 85 (2016), Heft 6
Bild 4. Auf Trägermaterial aufgeschweißte Gewindebolzen für Anziehversuche
Fig. 4. Prepared arc weld studs for tightening tests
chenden Prüflose wurde handelsübliches WD-40 Spray der WD-40 Company verwendet. Dieses Aerosolspray ist aus-drücklich nicht als spezialisiertes Schmiermittel zur kalib-rierten Schmierung für geschraubte Verbindungen ausge-wiesen, wird jedoch auf der Baustelle häufig verwendet,
weshalb es im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen gewählt wurde. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass für
geschraubte Verbindungen ein Schmiermittel nur nach Kenntnis der Eigenschaften des jeweiligen Schmiermittel-produktes sowie der Material- und Einsatzkompatibilität gewählt werden sollte. Für eine gesicherte und kalibrierte Schmierung sind weiterhin Anziehversuche zur Bestim-mung der Anziehparameter erforderlich.
Die Gewindebolzen aus unlegiertem Kohlenstoffstahl (Pos. 8 und Pos. 11) werden in der Praxis aus Korrosions-schutzgründen zusätzlich verkupfert, weshalb sie auch in den vorliegenden Untersuchungen in verkupferter Ausfüh-rung getestet wurden.3.2.3 Allgemeines zum AnziehversuchDer Anziehversuch beschreibt im Allgemeinen die Mon-tage einer geschraubten Verbindung durch die Aufbrin-gung eines Drehwinkels bzw. Drehmoments auf das zu drehende Verbindungselement. Je nach Anwendungsfall und Konfiguration wird entweder die Mutter oder der Schraubenkopf einer geschraubten Verbindung zum An-ziehen gedreht. Die Aufbringung eines Drehwinkels bzw.
eines Anziehdrehmoments erzeugt in der Schraube eine
Längen änderung, welche die Vorspannkraft infolge einer
Rückstellkraft in der Schraube erzeugt. Das Verhältnis zwi-schen dem aufgebrachten Anziehdrehmoment und der Vorspannkraft ist im Wesentlichen abhängig von der Mate-rialpaarung aus Mutter und Schraube und der Reibung in den rotierenden Kontaktflächen der gepaarten Gewinde aus Mutter und Schraube sowie der Auflagefläche zwi-schen dem gedrehten Verbindungselement und der Unter-legscheibe. Während eines Anziehversuches lassen sich
diese Reibungsverhältnisse sowie die Beziehung zwischen dem aufgebrachten Anziehdrehmoment und der eingelei-teten Vorspannkraft bestimmen. Dabei werden am Prüf-stand des Instituts für Metall- und Leichtbau sowohl das aufgebrachte Gesamtanziehdrehmoment und der Dreh-winkel sowie die Vorspannkraft und das Gewindereib-
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Tabelle 4. Abhängigkeit berechneter Anziehkennwerte von Messgrößen
Table 4. Dependencies of calculated tightening and measurement parameters
Berechnete
AnziehkennwerteReibungsdrehmoment in der AuflageflächeK-Faktor
GesamtreibungszahlReibungszahl im GewindeReibungszahl in der Kopf- oder Mutterauflage
TbKµtµthµb
Messgrößen
Vorspannkraft
F
–••••
Anziehdrehmoment
T
•••–•
Gewindedrehmoment
Tth
•––••
Drehwinkel
Q
–––––
Bild 5. Schematische Darstellung eines in den Anziehprüfstand eingebauten GewindebolzensFig. 5. Schematic view of a built-in threaded stud in the tightening torque testing machine
moment gemessen. Die Differenz aus Gesamtanziehdreh-moment und Gewindereibmoment liefert dann das Auf-lagemoment (Tabelle 4 und Bild 5). Entsprechend DIN EN ISO 16047 [9] sind folgende unmittelbar reibungsabhän-gige Anziehkennwerte definiert:– K-Faktor K
– Gesamtreibungszahl µtot
– Reibungszahl im Gewinde µth
– Reibungszahl in der Kopf- oder Mutterauflage µb
Die Anziehkennwerte, die nicht unmittelbar als Messgröße vorliegen, werden mittels der Gleichungen nach DIN EN ISO 16047 rechnerisch bestimmt. Die Abhängigkeiten zwi-schen Messgrößen und berechneten Anziehkennwerten sind in Tabelle 4 dargestellt.
3.3.2 Kriterien zum sicheren Anziehen einer geschraubten
Verbindung
Für die Versuchsauswertung wurden zunächst die Krite-rien zu einer sicheren Auslegung der erforderlichen An-ziehdrehmomente in Anlehnung an [17] festgelegt. Ein gewähltes Anziehdrehmoment sollte hiernach auf der ei-nen Seite sicher die festgelegte Sollvorspannkraft (Fsoll) in die Verbindung einleiten, auf der anderen Seite ein Über-ziehen der Verbindung sicher ausschließen. Die Kriterien für die Festlegung eines geeigneten Anziehdrehmoments nach [17] sind in Tabelle 5 zusammengefasst. Hierbei sol-len die ersten drei Kriterien der sicheren Einbringung der Vorspannkraft auf Basis einer statistischen Auswertung dienen, die Kriterien vier und fünf ein Überziehen der Gar-nitur vermeiden. Diese Auslegung der Anziehdrehmo-mente wurde in [17] im Hinblick auf eine Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit gewählt. Wie bereits erläu-tert, werden die aufgeschweißten Gewindebolzen jedoch lediglich aus Gebrauchstauglichkeitsgründen vorgespannt, weshalb zwar nach wie vor ein Überziehen der Verbin-dung ausgeschlossen werden muss, eine Unterschreitung der Zielvorspannkraft im Zweifel aber vertretbar ist. Die bewusst scharfe Auswertung sollte auch auf dieser Basis beurteilt werden.
3.3 Versuchsergebnisse3.3.1 Allgemeines
Die Versuchsergebnisse der durchgeführten Drehmoment-Vorspannkraft-Versuche werden im Nachfolgenden darge-stellt und erörtert. Die Bestimmung der Anziehkennwerte Gesamtreibungszahl µtot, Reibungszahl im Gewinde µth und Reibungszahl in der Kopfauflage µb erfolgte bei einem Vorspannkraftniveau von 50 % Fp,C*.
Stahlbau 85 (2016), Heft 6423
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Tabelle 5. Kriterien für die Festlegung eines geeigneten Anziehdrehmoments nach [17]Table 5. Criteria for the determination of reliable tightening torques according to [17]
Nr.12345
Grenzkriterium
Die niedrigste individuelle Vorspannkraft Fb min eines Prüfloses soll um mindestens 3 % größer sein als die gewählte Sollvorspannktaft Fsoll.
Die 5 % Fraktile der Vorspannkräfte eines Prüflöses soll um mindestens 3 % größer sein als die gewählte Sollvorspannktaft Fsoll.
Der Mittelwert der Vorspannkraft eines Prüfloses soll um mindestens 10 % größer sein als die gewählte Sollvorspannktaft Fsoll.
Die 95 % Fraktile eines Prüfloses soll um mindestens 3 % kleiner sein als die zulässige MontagevorspannkraftFMzul.
Die 5 % Fraktile eines Prüfloses soll um mindestens 3 % kleiner sein als die zulässige MontagevorspannkraftFMzul.50Tr-P01 - M12 - tZnTr-P02 - M12 - tZn - WD40Fb min FRk,5% Fbm
≥ 0,5 Fp,C*+3 %≥ 0,5 Fp,C*+3 %≥ 0,5 Fp,C*+10 %
FRk,95% ≤ FMzul –3 %FRk,5%
≤ FMzul –3 %
40Schraubenkraft [kN]Tr-P02 - M12 - flZnTmax30TmaxTmax2010FsollF(T)95 %F(T)bmF(T)5 %00204060Anziehdrehmoment [Nm]
80100Bild 6. Schraubenkraft-Anziehdreh-moment-Fraktilwertkurven der Positio-nen P01-P03 mit Gewindebolzen M12Fig. 6. Bolt force–tightening torque–fractile curves of positions P01-P03 with threaded studs M12
120100Schraubenkraft [kN]806040FsollTr-P04 - M20 - tZnTr-P05 - M20 - tZn - WD40Tr-P06 - M20 - flZnTmaxF(T)95 %F(T)bmF(T)5 %20TmaxTmax0050100150200250Anziehdrehmoment [Nm]
300350Bild 7. Schraubenkraft-Anziehdreh-moment-Fraktilwertkurven der Positio-nen P04-P06 mit Gewindebolzen M20Fig. 7. Bolt force–tightening torque–fractile curves of positions P04-P06 with threaded studs M20
die Sollvorspannkräfte in Höhe von 0,5 Fp,C* eingezeich-net. Die Ergebnisse zeigen die vergleichsweise großen
Position P01 bis P06 – Gewindebolzen M12 und M20Streuungen der Reibverhältnisse innerhalb der einzelnen Die Versuchsergebnisse der Gewindebolzen M12 und M20 Prüflose M12 und M20. Die mit WD-40-Spray benetzten sind in Bild 6 und Bild 7 in Form von Schraubenkraft-An-Gewindebolzen weisen eine insgesamt geringere Reibung ziehdrehmoment-Fraktilwertkurven zusammengefasst. auf als die jeweiligen Positionen ohne Schmierung, was an Dargestellt sind die 95 %- und 5 %-Fraktilwert- sowie die den steileren Schraubenkraft-Anziehdrehmoment-Kurven Mittelwertkurven F(T). Zusätzlich zu den Schraubenkraft-zu erkennen ist. Die Streuung der Reibbeiwerte lässt sich Anziehdrehmoment-Kurven sind die jeweils maximal zu-durch die Anwendung des WD-40-Sprays jedoch nicht re-lässigen Anziehdrehmomente nach Abschnitt 3.3.2 sowie duzieren.
3.3.3 Einzelergebnisse untersuchter Prüflose
424Stahlbau 85 (2016), Heft 6
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Tabelle 6. Exemplarische statistische Auswertung der Versuchsergebnisse aus Position P06Table 6. Exemplary statistical evaluation of the test results of position P06
Probenbez.P06Anzahl n [–]maxminmeansF VF [–]kn [–]5 % Fraktile95 % Fraktile
765Schraubenkraft [kN]4321FsollTmaxTmaxµb (Fsoll)
100,150,120,1290,0130,1001,920,1040,154
µth (Fsoll)
100,200,140,1650,0160,0961,920,1350,195
µtot (Fsoll)
100,160,130,1460,0130,0921,920,1200,172
Tb (Fsoll)(Nm)1055,841,946,55,110,1101,9236,756,3
Tth (Fsoll)(Nm)1073,756,462,84,980,0791,9253,272,3
T (Fsoll)(Nm)10119,698,3109,38,180,0751,9293,6125,0
Max F(kN)10138,588,2123,115,320,1251,9293,6152,5
Max T(Nm)10475,7291,2385,554,660,1421,92280,5490,4
Tr-P07 - M6 - AlMg3Tr-P08 - M6 - 4.8Tr-P09 - M8 - A2-50Tr-P10 - M8 - A2-50 - WD-40Tr-P11 - M4 - 4.8FsollFsollFsollTmaxFsollFTmaxTmaxF(T)95 %F(T)bmF(T)5 %0012345768910Anziehdrehmoment [Nm]
1112131415Bild 8. Schraubenkraft-Anziehdreh-moment-Fraktilwertkurven der Positio-nen P07-P11
Fig. 8. Bolt force–tightening torque–fractile curves of positions P07-P11
Position P07 bis P11 – Gewindebolzen M4 bis M8
Die Versuchsergebnisse in Form einer statistischen Auswer-tung der Positionen P07 bis P11 sind in den Schraubenkraft-Anziehdrehmoment-Fraktilwertkurven in Bild 8 zusammen-fassend dargestellt. Neben den Fraktilwertkurven sind au-ßerdem die maximal zulässigen Drehmomente Tmax zur Einhaltung der Kriterien nach Abschnitt 3.3.2 eingezeichnet sowie die Sollvorspannkräfte Fsoll der einzelnen Prüflose in Höhe von 0,5 Fp,C* angegeben. Auffällig sind besonders die die Positionen P08 und P11. Während die Reibung bei Po-sition P11 im Vergleich zu allen anderen Prüflosen deutlich niedriger ausfällt und die Streuung innerhalb dieser Serie auch vergleichsweise gering ausfällt, zeigen die Kurven aus Position P08 einen sehr ungleichmäßigen Verlauf. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass das in dieser Position einge-setzte WD-40-Spray nicht kompatibel mit dem nichtrosten-den Stahl A2-50 der Gewindebolzen ist. Die Kurven der Bolzen M8 ohne WD-40 zeigen einen deutlich gleichmäßi-geren Verlauf. Dies zeigt unter anderem wie wichtig ein ab-gestimmter Einsatz eines Schmiermittels ist. Die dargestell-ten Kurven belegen allerdings auch die insgesamt großen Streuungen innerhalb der Versuchsreihen.
3.3.4 Versuchsauswertung
Die Auswertung der Versuche zeigt, dass mit den auf der Basis des derzeitigen Merkblatts DVS 0904 anzuwenden-
den Anziehdrehmomenten für die untersuchten Kombi-nationen vergleichsweise hohe Vorspannkräfte nahe der zulässigen Montagevorspannkraft FMzul erzielt werden (Tabelle 7). So liegen die Mittelwerte der Vorspannkräfte der drei Positionen P04 bis P06 bedingt durch die gerin-gere Reibung bereits jeweils über den entsprechenden Werten FMzul. Weiterhin sind die tatsächlich ermittelten Reibbeiwerte weder konstant über die verschiedenen Durchmesser noch über die unterschiedlichen Materia-lien. Die Reibbeiwerte auf Höhe der Vorspannkraft nach derzeitigem Merkblatt DVS 0904 liegen im Mittel zwi-schen µtot = 0,133 für Gewindebolzen M20 – 4.8 ohne Oberflächenbeschichtung und µtot = 0,246 für Gewinde-bolzen M8 – A2-50 mit zusätzlicher Benetzung der ge-paarten Kontaktflächen mit WD-40-Spray. Diese Ergeb-nisse bestätigen die Vermutung, dass die Reibverhältnisse der untersuchten Gewindebolzen stark schwanken und als nicht einheitlich über die verschiedenen Parameter wie Gewindedurchmesser, Material oder Beschichtung bewertet werden dürfen. Zusätzlich zeigt sich, dass durch das vergleichsweise hohe angestrebte Vorspannkraftni-veau in Verbindung mit den großen Streuungen der Reib-beiwerte die Gefahr besteht, dass die Verbindung in Ab-hängigkeit der Streckgrenze des verwendeten Materials überbeansprucht werden kann.
Eine Auswertung der Versuchsergebnisse für ein Vor-spannkraftniveau nach Merkblatt DVS 0904 ist somit
Stahlbau 85 (2016), Heft 6425
N. Stranghöner/D. Jungbluth · Verschraubung von aufgeschweißten Gewindebolzen nach Merkblatt DVS 0904
Tabelle 7. Versuchsauswertung nach Vorspannkraftniveau entsprechend Merkblatt DVS 0904Table 7. Test evaluation based on the preload level according to the technical bulletin DVS 0904
Positionsbeschreibung
Pos.P01P02P03P04P05P06P07P08P09P10P11
M6M8M4
AlMg34.8A2-504.8
Cu
M20
4.8
M12
4.8
∅
Material
Besch.tZntZnflZntZntZnflZnCu
WD40WD40WD40Schmierung
19,019,019,055,055,055,02,24,34,94,91,8
53,053,053,0260,0260,0260,03,16,19,59,51,8
Auswertung nach DVS Tab. 5
FDVS (kN)MDVS (Nm)
µtot (DVS)0,1840,1840,1840,1900,1900,1900,1800,1810,1900,1900,191
Fbm (MDVS) (kN)
19,624,618,475,7 74,8*77,71,74,04,33,92,2
µtot (Fbm)0,1780,1370,1900,133 0,135*0,1290,2400,2000,2190,2460,153
FMzul (kN)22,523,522,268,468,368,72,55,25,75,52,4
* Auswertung der Reibbeiwerte sowie der Vorspannkraft bei einem Anziehmoment von T = 195 Nm. Das Solldrehmoment von 260 Nm nach Merkblatt DVS 0904 konnte während der Versuche nicht erreicht werden, ohne Plastizierungen hervorzurufen
Tabelle 8. Versuchsauswertung für ein Vorspannkraftniveau 0,5 Fp,C*Table 8. Test evaluation for a preload level of 0,5 Fp,C*
Auswertung für 0,5 Fp,C*
Pos.P01P02P03P04P05P06P07P08P09P10P11
As (cm2)84,384,384,3245,0245,0245,020,120,136,636,68,8
Rp0,2 (N/mm2)
340340340340340340170340210210340
0,5 Fp,C* (kN)
10,010,010,029,229,229,21,22,42,72,71,0
µtot,min0,140,120,160,120,100,130,190,160,180,190,14
µtot,max0,220,150,220,180,140,160,310,230,260,300,18
µtot,mean0,180,130,200,150,110,150,240,190,220,240,16
µtot,95%0,260,170,240,180,140,170,300,230,290,300,18
µtot, 5%0,100,100,160,110,080,120,170,150,150,180,14
Ausgewertete Anziehmomente*Tmin (Nm)
4530401401101353,05,08,58,51,0
Tmax (Nm)
4545552051652053,5*27,511,012,51,8
* Drehmomente zur Erzielung von 0,5 Fp,C* unter folgenden Bedingungen: 1) Fb min ≥ 0,5 Fp,C*+3 %; 2) FRk,5% ≥ 0,5 Fp,C*+3 %; 3) Fbm ≥ 0,5 Fp,C*+10 %; 4) FRk,95% ≤ FMzul –3 %; 5) FRk,5% ≤ FMzul –3 %*2 Aus den Messungen gehen keine größeren Anziehdrehmomente hervor
nicht empfehlenswert. Daher ist eine Absenkung des zu erzielenden Vorspannkraftniveaus – wie bereits ausgeführt – zu empfehlen, um die großen Streuungen der Reibbei-werte abzusichern. Die Wahl eines anzuwendenden Schmiermittels oder einer Oberflächenbeschichtung ist im Fall der Gewindebolzen nicht praktikabel, da für die Bol-zen Standardmuttern nach DIN EN ISO 4032 und Schei-ben nach DIN EN ISO 7089 verwendet werden. Eine Vor-gabe der Beschichtung und/oder Schmierung würde den Beschaffungs- und Kontrollaufwand deutlich erhöhen. Zudem ist – wie in Abschnitt 2 bereits erläutert – ein gerin-geres Vorspannkraftniveau für den Einsatzzweck ausrei-chend.
In Tabelle 8 ist die Auswertung der Anziehdrehmo-mente für eine Vorspannkraft von 0,5 Fp,C* dargestellt. Aufgrund der Tatsache, dass das angestrebte Vorspann-kraftniveau gesenkt wurde, und unter Berücksichtigung der scharfen Kriterien nach Tabelle 5, ergibt sich für die einzelnen Prüflose eine unterschiedlich große Spannweite an möglichen Anziehdrehmomenten. Je größer diese Spannweite, desto geringer sind die Streuungen der Reib-verhältnisse innerhalb eines Prüfloses.
Die Auswertung zeigt, dass sich sowohl für die Prüf-lose der Durchmesser M12 als auch für die Prüflose der Durchmesser M20 durchaus gemeinsame Anziehdrehmo-mente ermitteln lassen, welche unabhängig von den unter-suchten Oberflächenbeschichtungen und Schmierzustän-den anzuwenden sind. Für die Durchmesser M12 wäre auf Basis der vorliegenden Auswertung beispielsweise ein An-ziehdrehmoment von T = 45 Nm denkbar, für die Durch-messer M20 ein Anziehdrehmoment zwischen T = 140 Nm und T = 165 Nm. Dies gilt weiterhin für die Durchmesser
426Stahlbau 85 (2016), Heft 6
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M8 in Position P09 und P10 bei Verwendung mit oder ohne Schmiermittel. Hier wäre ein Anziehmoment zwi-schen T = 8,5 Nm und T = 11 Nm realisierbar. Für die beiden Positionen M6 lässt sich allerdings aufgrund der
unterschiedlichen Materialien mit unterschiedlichen Streckgrenzen kein gemeinsames Anziehdrehmoment ent-wickeln. Die Auswertung zeigt aber auch, dass sich die Anziehdrehmomente der untersuchten Gewindebolzen der Durchmesser M6 und M8 aufgrund der in den Ver-suchen größeren Reibbeiwerte aus Merkblatt DVS 0904 übernehmen lassen, vgl. Tabelle 7.
Reibbeiwerte betrachtet wird. Eine Auswertung für diese Grenzreibbeiwerte kann dann für alle Durchmesser er-folgen, da davon ausgegangen werden kann, dass diese Fraktilwerte der Gesamtreibung aufgrund der unterschied-lichen getesteten Durchmesser, Materialen, Oberflächen-zustände und Schmierzustände als repräsentativ angenom-men werden können. Eine solche Auswertung lässt sich wie zu erwarten nicht mit den scharfen Kriterien nach Tabelle 5 realisieren, zumal bei den Reibbeiwerten bereits die Fraktile als Eingangswerte genutzt werden. Daher wur-den für die Auswertung über alle Durchmesser zwei Bedin-gungen festgelegt: Zum einen soll für das aufgebrachte
3.3.5 Entwurf einer neuen Anziehdrehmomenttabelle Anziehdrehmoment in Kombination mit einer hohen Rei-für Merkblatt DVS 0904bung von max. µtot,95% = 0,30 in Anlehnung an die
„Handfest“-Anziehmomente nach [14] eine Vorspannkraft
Der Entwurf einer überarbeiteten Tabelle über alle Durch-von mindestens 25 % der 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2 eingelei-messer und Materialien mit Angaben zu Anziehdrehmo-tet werden. Auf der anderen Seite soll bei einer niedrigen menten und Vorspannkräften stellt sich auf Basis der Reibung von min. µtot,5% = 0,08 ein Überziehen durch ein scharfen Kriterien nach [17] als schwierig dar. Ferner wird Überschreiten der zulässigen Montagevorspannkraft FMzul generell empfohlen, die Angabe der erreichbaren Vor-vermieden werden. Die aus diesen Bedingungen resultie-spannkräfte zu entfernen, da eine solche Angabe in der renden Anziehdrehmomente sind in Tabelle 9 zusammen-Regel zu falschen Vorstellungen hinsichtlich der Genauig-fassend dargestellt und können als Empfehlung für die keit bei der Erzielung der Vorspannkraft führt. Daher ist es Überarbeitung des Merkblatt DVS 0904 betrachtet wer-ratsam, sich auf die Angabe von Anziehdrehmomenten zu den.beschränken.
Tabelle 8 zeigt, dass die Fraktilwerte der Reibbeiwerte 4 Zusammenfassungµtot der einzelnen Positionen zwischen min. µtot,5% = 0,08
und max. µtot,95% = 0,30 liegen. Für eine Aussage zu den Das Merkblatt DVS 0904 des Deutschen Verbands für Reibbeiwerten nicht untersuchter Durchmesser von Ge-Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (DVS) gibt ne-windebolzen ist diese vergleichsweise große Spannweite ben den Regelungen zum Lichtbogenschweißen von metal-an möglichen Reibbeiwerten als problematisch zu erach-lischen Werkstoffen der DIN EN ISO 14555 weiterfüh-ten. Aus den Ergebnissen kann weder ein einheitlicher rende Hinweise zum Lichtbogenbolzenschweißen für die Reibbeiwert über alle Positionen noch eine Funktion des Praxis. Unter anderem sind auch Wertepaare aus Monta-Reibbeiwertes über verschiedene Durchmesser hergeleitet gedrehmoment und Montagevorspannkraft zum Anziehen werden. Daher kann eine Aussage nur zu den Gewindebol-und Prüfen der Bolzen angegeben. Für diese empfohlenen
zen getroffen werden, welche auch tatsächlich untersucht Wertepaare wird ein Reibbeiwert von µtot = 0,18 für alle
Durchmesser, Materialpaarungen und Oberflächenzu-wurden.
Alternativ ließe sich eine Aussage über die nicht getes-stände der Gewindebolzen angesetzt. Dieser Schätzwert teten Durchmesser dadurch realisieren, dass der maximale basiert auf Annahmen, welche bisher nicht durch experi-95 %-Faktilwert und der minimale 5 %-Fraktilwert der Ge-mentelle Untersuchungen gestützt wurden. Neben der Tat-samtreibung als jeweils mögliche Grenze für erzielbare sache, dass die Annahme des Reibbeiwerts als unzurei-Tabelle 9. Versuchsauswertung auf Basis eines Streubandes der Gesamtreibung über alle VersuchsserienTable 9. Test evaluation for a scatter of coefficients of friction over all tested series
NenngrößeM3M4M5M6M8M10M12M16M20M24
4.8, Rp0,2 = 340 N/mm2
0,51,22,24,09,518,532,580,0155,0270,0
A2-50, Rp0,2 = 210 N/mm2
Montageanziehdrehmomente* (Nm)
0,30,71,42,56,012,020,050,095,0165,0
0,20,61,12,04,7
AlMg3 F23, Rp0,2 = 170 N/mm2
* Drehmomente unter Einhaltung folgender Bedingungen: 1) FMzul(µtot,5%) ≥ F(µtot,5%); 2) F(µtot,95%) ≥ 0,25 · Rp0,2 · As
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chend zu betrachten ist, ist für die Gewindebolzen mit in der Regel geringen Festigkeitsklassen das gewählte Vor-spannkraftniveau nach Merkblatt DVS 0904 als unnötig hoch zu erachten. Die angesetzten Vorspannkräfte liegen im Mittel bei ca. 83 % der zulässigen Montagevorspann-kraft nach VDI 2230 [12] unter Annahme einer 90 %igen Ausnutzung der 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2. Dieses vergleichs-weise hohe Vorspannkraftniveau in Verbindung mit dem als konstant betrachteten Reibbeiwert von µtot = 0,18 kann dazu führen, dass einerseits die Vorspannkraft während des drehmomentgesteuerten Anzuges nicht voll in die Ver-bindung eingebracht werden kann, andererseits die Verbin-dung während des Anzugs überbeansprucht wird. Auf-grund der Tatsache, dass die Gewindebolzen dieser Festig-keitsklassen nur aus Gebrauchstauglichkeitsgründen Literatur
[1] Merkblatt DVS 0904:2000-12: Hinweise für die Praxis – Lichtbogenbolzenschweißen. DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V., Ausschuss für Tech-nik, Arbeitsgruppe „Lichtbogenschweißen“.
[2] DIN EN ISO 14555:2014-08: Schweißen – Lichtbogenbol-zenschweißen von metallischen Werkstoffen (ISO 14555:2014); Deutsche Fassung EN ISO 14555:2014.
[3] Merkblatt DVS 0967:2014-04: Berechnung von Bolzen-schweißverbindungen. DVS – Deutscher Verband für Schwei-ßen und verwandte Verfahren e.V., Ausschuss für Technik, Arbeitsgruppe „Lichtbogenschweißen“.
[4] DIN EN ISO 13918:2008-10: Schweißen – Bolzen und Ke-ramikringe für das Lichtbogenbolzenschweißen (ISO 13918:2008); Deutsche Fassung EN ISO 13918:2008.
[5] DIN 13-1:1999-11: Metrisches ISO-Gewinde allgemeiner vorgespannt werden und somit die Bemessung der Bolzen auch ohne Berücksichtigung der Vorspannkraft erfolgt, ist eine Überbeanspruchung als weitaus kritischer zu bewer-ten. Im Rahmen der Überarbeitung des Merkblatts DVS 0904 sollen nun auch die Angaben zu den Anziehdrehmo-menten und Vorspannkräften überarbeitet werden. Für diese Überarbeitung wurden am Institut für Metall- und Leichtbau der Universität Duisburg-Essen Drehmoment-Vorspannkraft-Versuche an Gewindebolzen unterschiedli-cher Durchmesser, Materialien und Oberflächenzustände durchgeführt. Ziel der Untersuchungen war die Ermittlung der Reibbeiwerte an ausgewählten Gewindebolzen sowie eine Empfehlung für die Überarbeitung des Merkblatts DVS 0904. Die Auswertung der Versuche zeigte zum ei-nen, dass – wie erwartet – die Reibbeiwerte der untersuch-ten Prüflose als keinesfalls konstant betrachtet werden können. Zum anderen ist auf Basis der durchgeführten Untersuchungen das bisher angestrebte Vorspannkraftni-veau unter Berücksichtigung der vergleichsweise großen Streuungen der Reibbeiwerte innerhalb der einzelnen Prüf-lose als zu hoch anzusehen. Da die Vorspannung in den Gewindebolzen ohnehin lediglich eingebracht wird, um ein Lösen der Mutter zu verhindern, wurde für die Überar-beitung des DVS Merkblatts ein Vorspannkraftniveau von 0,5 Fp,C* empfohlen. Die statistische Auswertung eines ge-eigneten Anziehdrehmomentes, welches die Sollvorspann-kraft sicher einleitet, gleichzeitig aber eine Überbeanspru-chung vermeidet, lieferte für das empfohlene Vorspann-kraftniveau von 0,5 Fnach bisherigem Stand des DVS Merkblattes für die unter-p,C* im Gegensatz zur Auswertung suchten Durchmesser und Materialien durchaus sinnvolle Anziehdrehmomente zur Umsetzung in der Praxis.
Die Auswertung der Versuche zeigt allerdings auch, dass für eine Empfehlung der Anziehdrehmomente für nicht untersuchte Durchmesser aufgrund der großen Streu-ung der Gesamtreibungszahlen vergleichsweise weiche Kriterien angesetzt werden müssen. So muss zwar weiter-hin ein Überziehen der Garnitur zwingend vermieden wer-den, aufgrund der Vorspannung aus Gebrauchstauglich-keitsgründen kann allerdings eine geringere Vorspannkraft von 25 % der 0,2 %-Dehngrenze R„Handfest“-Anziehmomente für nicht vorgespannte p0,2 in Anlehnung an die Schraubverbindungen festgelegt werden, wodurch sich auch Aussagen zu nicht unmittelbar untersuchten Bolzen-garnituren treffen lassen. Hieraus wurde eine Empfehlung für die Überarbeitung des Merkblatts DVS 0904 ent-wickelt.
428Stahlbau 85 (2016), Heft 6
Anwendung Teil 1: Nennmaße für Regelgewinde Gewinde-Nenndurchmesser von 1 mm bis 68 mm.
[6] DIN EN ISO 7089:2000-11: Flache Scheiben – Normale Reihe, Produktklasse A (ISO 7089:2000); Deutsche Fassung EN ISO 7089:2000.
[7] DIN EN ISO 4032:2013-04: Sechskantmuttern (Typ 1) – Produktklassen A und B (ISO 4032:2012); Deutsche Fassung EN ISO 4032:2012.
[8] DIN EN ISO 4014:2011-06: Sechskantschrauben mit Schaft – Produktklassen A und B (ISO 4014:2011); Deutsche Fas-sung EN ISO 4014:2011.
[9] DIN EN ISO 16047:2013-01: Verbindungselemente – Dreh-moment/Vorspannkraft-Versuch (ISO 16047:2005 + Amd 1:2012); Deutsche Fassung EN ISO 16047:2005 + A1:2012[10] DIN 18000-7:2008-11: Stahlbauten – Teil 7: Ausführung und Herstellerqualifikation.
[11] DIN EN 1993-1-8/NA:2010-12: Nationaler Anhang – Na-tional festgelegte Parameter – Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-8: Bemessung von An-schlüssen.
[12] VDI 2230 Blatt 1:2015-11. Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen. Zylindrische Einschraubenverbindungen.
[13] Schmidt, H., Stranghöner, N.: Ausführung geschraubter Ver-bindungen nach DIN EN 1090-2. In: Stahlbau-Kalender 2011, S. 283–340, Hrsg.: Kuhlmann, U. Berlin: Ernst & Sohn 2011.[14] Schmidt, H., Zwätz, R., Bär, L., Kathage, K., Hüller, V., Kammel, C., Volz, M.: Ausführung von Stahlbauten: Kommen-tare zu DIN EN 1090-1 und DIN EN 1090-2. Berlin: Beuth und Ernst & Sohn 2012.
[15] Stranghöner, N., Jungbluth, D., Hüller, V., Machura, G.: Anziehen von geschraubten Verbindungen nach Eurocode 3 und DIN EN 1090-2. Stahlbau 85 (2016), H. 5, S. 327–335. DOI: 10.1002/stab.201610377
[16] DIN EN 1990:2010-12: Eurocode: Grundlagen der Trag-werksplanung; Deutsche Fassung EN 1990:2002 + A1:2005 + A1:2005/AC:2010.
[17] Hasselmann, U., Valtinat, G.: Geschraubte Verbindungen. In: Kuhlmann, U. (Hg.): Stahlbau-Kalender 2002. Berlin: Ernst & Sohn, S. 343–421.
Autoren dieses Beitrages:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Natalie Stranghöner,natalie.stranghoener@uni-due.de,Dominik Jungbluth M.Sc.,dominik.jungbluth@uni-due.deUniversität Duisburg-Essen,
Institut für Metall- und Leichtbau,Universitätsstraße 15, 45141 Essen
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